Demenz in Verbindung mit Schwerhörigkeit

Was bedeutet Demenz?

Mit dem Begriff Demenz werden bestimmte Symptome zusammengefasst, die miteinander kombiniert bei verschiedenen Krankheiten auftreten.

In dem Wort „Demenz“ steckt das lateinische Wort „Mens“ = Geist, Verstand. Zusammen mit der Vorsilbe „De“ bedeutet es so viel wie „abnehmender Verstand“. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Demenz mit einem Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit, der stärker ist, als es altersgemäß erwartbar wäre. Die gemeinten Symptome betreffen also die abnehmende Leistungsfähigkeit im Wahrnehmen, Denken und Erkennen (Kognition) und die resultierenden veränderten Verhaltensweisen.

Letztendlich nimmt die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab.

Welchen Einfluss hat eine Schwerhörigkeit?

Für unser Gehirn hat eine Schwerhörigkeit eine verminderte Versorgung mit Nervenimpulsen zur Folge.

Ein gesundes Gehör versorgt das Gehirn kontinuierlich mit Informationen von der Außenwelt. Es nimmt zu jeder Tages- und Nachtzeit Schall auf – auch wenn wir schlafen. Irgendein Geräusch gibt es immer, auch wenn es nur unser eigener Atem ist. Vieles davon nehmen wir nicht bewusst wahr, das ist richtig. Dies ist allerdings schon eine Leistung unseres Gehirns. Es sortiert aufgenommene Signale in Wichtig und Unwichtig. Nur die als Wichtig eingeordneten Signale erreichen unser Bewusstsein.

Gleichzeitig ist unser Gehirn faul – oder nennen wir es effizient. Tatsächlich passt das Gehirn seine vorhandenen Strukturen zeitlebens den Informationen an, die es bekommt. Strukturen, die durch Informationen von außen viel beansprucht werden, sind stärker ausgeprägt als solche, die wenig benötigt werden. Wenn wir beginnen, eine Sprache oder ein Instrument zu lernen, werden im Gehirn neue Strukturen aufgebaut. Dies ist ein stetiger Prozess. Je mehr wir lernen und üben, desto sicherer werden wir in der neuen Fähigkeit. Ein anschauliches Bild mag ein Trampelpfad im Wald sein. Je häufiger er verwendet wird, umso ausgetretener und leichter begehbar wird er. Eventuelle Abzweige in andere Richtungen sind gut zu erkennen. Umgekehrt ist es aber auch so, dass ein Trampelpfad wieder schmaler wird und zuwächst, wenn er wenig benutzt wird. Das gleiche passiert im Gehirn: Strukturen, die weniger genutzt werden, werden nur entsprechend dem Nutzungsgrad erhalten.

Was bedeutet das für eine Hörminderung? Bleibt die Hörminderung unversorgt, wird auch das Gehirn mit weniger Nervenimpulsen aus dem Innenohr versorgt. Hält dies über einen längeren Zeitraum an, werden die weniger beanspruchten Strukturen im Gehirn dementsprechend reduziert. Der vormals bequem zu gehende Weg wächst langsam zu, Abzweige sind eventuell nicht mehr zu finden. Geräusche, die aufgrund der Hörminderung schon länger unter der persönlichen Wahrnehmungsschwelle liegen, können dann zunächst nicht richtig eingeordnet werden, selbst wenn sie durch eine Hörgeräteversorgung hörbar gemacht werden. Wer sich zu einer Hörgeräteversorgung entschließt, müsste in diesem Bild mit einer Gartenschere bewaffnet Zweige und Ranken auf dem Weg wegschneiden, um die bestehenden Abzweige wieder sichtbar zu machen. Das ist unbequem, lohnt sich aber, denn der Weg wird nach getaner Arbeit wieder ein bequem zu nutzender Trampelpfad.

Eine unversorgte Schwerhörigkeit hat also an sich schon den Abbau von Gehirnstrukturen zur Folge. Liegt eine demenzielle Erkrankung vor, kommen weitere Faktoren hinzu, durch die Gehirnstrukturen abnehmen. Das Tragen von Hörgeräten bei einer Hörminderung wirkt den Abbauprozess entgegen.

Fazit

Es lohnt sich in jedem Fall, einer Schwerhörigkeit so früh wie möglich mit einer Hörgeräteversorgung zu begegnen. Wer seine Hörgeräte trägt, erhält die Gehirnstrukturen, die für die Hörwahrnehmung, das Verstehen von Sprache und das Erkennen von Geräuschen zuständig sind. Hörgeräte wirken wie die Heckenschere, mit der wir dafür sorgen, dass der Trampelpfad begehbar und die Abzweigungen erkennbar bleiben, bei einer demenziellen Erkrankung zumindest für eine längere Zeit.

Literatur

Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: „Faszinierendes Gehirn: Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen“, Springer-Verlag, Dezember 2015

Publikationen zum Thema (zu finden Stand April 2022 auf der Homepage des DSB | Deutscher Schwerhörigenbund e.V. (DSB) :

Eva Richter „Demenz und Schwerhörigkeit – Möglichkeiten gezielter pflegetherapeutischer Maßnahmen in der ganzheitlichen Pflege und Betreuung von schwerhörigen an Demenz Erkrankten“, Facharbeit Im Rahmen der Fachweiterbildung „Gerontologische Pflege“ von KK Training, Hannover, September 2003

Mechthild Decker-Maruska, Reiner Hoffmann und Dr. Michael Lerch: „Demenz und Schwerhörigkeit im Alter“ in der Zeitschrift „pflegen: Demenz“, September 2008